Mein Name ist Hannelore Kraft - Ein ganz persönliches Portrait (Teil 2)

Allgemein

3.Das Gymnasium lag nicht nur weit weg, es befand sich auch in einer „besseren Gegend“. Wir waren vielleicht sechs Arbeiterkinder in einer Klasse von 40. Bei manchen Lehrer hat man klar gespürt, dass der Sohn von Herrn Doktor oder die Tochter von Herrn Professor einfach keine schlechtere Note bekommen konnte, als die Hannelore aus Dümpten.

Mir wurde in dieser Zeit zum ersten Mal richtig bewusst, wie wenig Geld wir eigentlich hatten. Denn natürlich musste ich die Kleider meiner älteren Schwester auftragen. Später hatten wir „Jinglers“ Jeans, während die anderen in Wrangler oder Levi’s rumliefen. Und: Im Gegensatz zu mir lasen die anderen schon recht früh und wie selbstverständlich den Spiegel. Aber unterkriegen lassen war natürlich auch nicht. Also biss ich mich durch. Nicht brillant. Aber immerhin. 1980 machte ich Abitur und war das erste Mädchen in unserer großen Familie mit einer „Hochschulzugangsberechtigung“ in der Tasche. 

4.Nach der Schule bewarb ich mich im öffentlichen Dienst und bei Banken. Ich wollte meinen Eltern nicht mehr auf der Tasche liegen.

Nach über 50 Absagen und reichlich Frust klappte es dann schließlich doch bei einem Geldinstitut. Wenn mir heute ein junger Mensch erzählt, was es bedeutet, keine Chance zu bekommen, nicht zeigen zu können, was man kann, dann verstehe ich das gut. Im Beruf stellte ich rasch fest: Die wirklich interessanten Jobs gibt es nur mit Studium. Also entschied ich mit meinem Kaufmannsgehilfenbrief in der Tasche: Auf an die Uni! Zur Finanzierung habe ich in vielen kleinen und großen Unternehmen als Aushilfssekretärin gejobbt und dabei viel über die Arbeitswelt gelernt.

wird fortgesetzt

 
 

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