Gastbeitrag von Hans Udo Schneider  

Gesellschaft

Was wir aus der Krise lernen können?

1. Von der Pest bis zur Corona- Pandemie

Beim Ausbruch von Seuchen lassen sich über die Jahrhunderte immer wieder dieselben Verhaltensmuster erkennen. Das galt für die Pest im Mittelalter, für die Spanische Grippe Anfang des 20. Jahrhunderts und es gilt für die Corona Pandemie heute. Die erste Reaktion besteht im Leugnen oder Kleinreden. Kann das in der Bevölkerung nicht mehr glaubwürdig vertreten werden, folgt in der zweiten Phase die Erfindung und Verbreitung von Gerüchten, Falschmeldungen, von abstrusen Behauptungen. Dazu gehört die Suche nach dem Sündenbock.  Meist müssen Minderheiten dafür herhalten. Die vorherrschenden nationalen, religiösen, ethnischen Überzeugungen der Menschen beeinflussen dann ganz wesentlich die Reaktionen auf die Epidemie. Die weltweite Corona Krise steht dafür exemplarisch. Die kulturellen Unterschiede zeigen sich in verschiedenen Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen, aber auch in Aktionen der Ausgrenzung, Isolation, bis hin zur Verfolgung und Vertreibung.

2. Seuchen legen gesellschaftliche Missstände offen

Seuchen sind darüber hinaus aber immer auch ein Spiegelbild des sozialen Zusammenhalts einer Gesellschaft. Wer ist am stärksten betroffen, wer zahlt die Kosten?  In Amerika sind es überwiegend Menschen schwarzer Hautfarbe. In Südamerika, in Afrika, Asien sind es die Slumbewohner und die Wanderarbeiter.  Aber auch in Deutschland gibt es Brennpunkte (Hot- Spots). Über drei Jahrzehnte ist über die Misere im Kranken- und Pflegebereich gesprochen worden, über mafiose Strukturen in der Fleischindustrie, über die Ausbeutung von Saisonarbeitern aus Südeuropa, über die Tatsache, dass immer noch der Geldbeutel über den Bildungserfolg der Kinder entscheidet. Letztendlich haben wir und die Politik zugesehen, haben wir auf Kosten anderer Menschen und der Natur gelebt. Die Krise lässt sich deshalb auch so begreifen: sie ist die Rechnung, die uns jetzt präsentiert wird.

3. Jede Krise ist eine Chance für den Neuanfang. Was lernen wir in Dorsten? - Ein Beispiel

Bereits vor mehr als 10 Jahren habe ich darauf hingewiesen, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss in Dorsten hoch ist, jedenfalls höher als in vergleichbaren Städten NRWs. Getan hat sich nichts. Im Gegenteil, Kindertagesstätten wurden wegen zunächst zurückgehender Geburten geschlossen. Jetzt müssen mit viel Aufwand neue Einrichtungen gebaut werden. Die pädagogische Erkenntnis, dass Ungleiches auch ungleich behandelt werden muss, wurde nicht genutzt. Das heißt: kleinere Gruppen, mehr Personal vor allem dort, wo die Not am stärksten ist. Immer noch werden Kitas als Betreuungseinrichtungen, nicht aber als Einrichtungen mit eigenständigem Erziehungs- und Bildungsauftrag verstanden. Hier liegt der eigentliche Grund für die schlechte Bezahlung des Personals. Benachteiligte Familien sind in der jetzigen Krise weitgehend auf sich allein gestellt, sie leben in engen Wohnverhältnissen, häufig mit mehreren kleinen Kindern., ohne Balkon und Garten. Vielen Familien fehlt der Computer oder das Tablet, hinzu kommt die fehlende Medienkompetenz. Wie unter diesen Bedingungen Lernen stattfinden soll, bleibt ein Geheimnis. Intelligente, kreative Konzepte fehlen. Von daher ist zu befürchten, dass sich die soziale Ungleichheit massiv ausweiten wird.

Werden wir aus der Krise lernen und die notwendigen Konsequenzen ziehen? Mehr Gemeinsamkeit und mehr Solidarität bleiben unsere Hoffnung.

Dr. Hans Udo Schneider

http://www.dorsten-lexikon.de/

(Hier ist ein interessantes Porträt über Hans Udo Schneider zu lesen)

 
 

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