Je mehr Alte, desto besser”

Senioren

Dorsten. Als Konsequenz aus dem Seniorenförderplan ist in Dorsten der Ausbau eines Netzwerks von Nachbarschaftsbetreuern geplant. Am Dienstagabend hatte Dr. Hans-Udo Schneider zu einer Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Seniorenbeirat Dorsten und der Stadt Dorsten dazu mit Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner eingeladen.

Es waren die hoffnungsfrohen Worte, mit denen am Dienstagabend im VHS-Forum der Vortrag von Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner endete – und nicht die düstere Prognose einer Welt kurz vor dem Untergang: „Je mehr Alte, desto besser für uns!”, rief der Professor aus und beschwor die starke Zunahme der Alten und Kranken in unserer Gesellschaft als „Entwicklungschance für das soziale Engagement”.
Viele Dorstener – die meisten von ihnen schon in der zweiten Lebenshälfte angekommen – waren der gemeinsamen Einladung des Indus-trie- und Sozialpfarramtes um Dr. Hans-Udo Schneider, der die Gäste auch begrüßte, des Seniorenbeirates und des Sozialamtes der Stadt gefolgt, um den Vortrag zu hören zum Thema „Ins Heim? - Nein danke! oder Leben und Sterben, wo ich hingehöre!”
Letzteres ist auch der Titel eines Buches, das der inzwischen 76-jährige Klaus Dörner geschrieben hat, nachdem er vor rund zehn Jahren in den Ruhestand ging. Ärztlicher Leiter der Westfälischen Klinik für Psychiatrie in Gütersloh war der gebürtige Duisburger bis dahin und sein Buch wurde ein „Basisrenner”, weil es beschreibt, was fernab von Heimen auch noch geht.

Ironie der Geschichte
Zunächst nannte Prof. Dörner die Fakten: Es sei eine „Ironie der Geschichte”, dass der medizinische Fortschritt zu einer dramatischen Steigerung der Pflegebedürftigkeit führe. Zum erstenmal gebe es in der Mehrzahl der Familien Erfahrungen damit. Zugleich sei in den letzten 30 bis 40 Jahren die Bereitschaft der Menschen, ins Heim zu gehen gesunken, wohl auch deshalb, weil dort die „gesunde Mischung” nicht mehr stimme.
Fakt auf der anderen Seite („Sie werden's nicht glauben”): Seit 1980 sei – entgegen der öffentlichen Wahrnehmung – messbar, dass die Menschen wieder für einander da sind. Seit 30 Jahren wachse die Zahl der Freiwilligen, der Nachbarschaftsvereine und Selbsthilfegruppen. In der Zeit entstanden auch die Hospizbewegung mit 80 000 Mitgliedern, das generationenübergreifende Wohnen mit 1000 Projekten oder rund 1000 ambulante Wohnpflegegruppen.

"Heimfreie Zonen"
Letztere führten in ländlichen Gebieten schon zu „heimfreien Zonen” und seien eine praktikable Alternative: In Heimen dauere die Siechenzeit der Bewohner viel länger, sie seien teurer und hätten viel weniger Zeit für menschliche Zuwendung als Wohnpflegegruppen.
Die Gesellschaft hat schon längst auf die neuen Herausforderungen reagiert. Die Familien haben ihren Kreis von Blutsverwandten um Wahlverwandte erweitert, Nachbarn helfen – gerne auch gegen kleines Geld – fangen auch Leute ohne Familie auf. Lange sei Nachbarschaft verpönt gewesen, so Dörner, heute liege sie wieder im Trend. Viele Menschen haben Zeit, nicht zuletzt die vielen Rentner, die im Ruhestand oft noch Jahrzehnte vor sich haben und gerne noch von anderen gebraucht werden wollen. Und es gibt schon vieles, woran sich anknüpfen ließe: Nachbarschaftsvereine und -betreuer oder auch die Besuchsdienste, die es in vielen Kirchengemeinden seit alters her gibt.

WAZ

 
 

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