Mit welchen Erwartungen sitzen eigentlich die Zuschauer vor dem Bildschirm, wenn 3 Kanzler-Kandidaten „vorgeführt“ werden? Die Sender, in diesem Fall ARD und ZDF heizen bereits Wochen vorher die Stimmung an. Mit zweifelhaftem Ergebnis. Wer an dieser Stelle ausschließlich jetzt lesen möchte, dass natürlich Olaf Scholz am besten abgeschnitten hat, wird nicht fündig. Hier soll heute über das Format der Sendung und über die Moderatoren geschrieben werden. Beide, Maybrit Illner (ZDF) und Oliver Köhr (ARD), standen zwar nicht zur Wahl, erweckten aber mit ihren aggressiven Eingangsfragen, „wer will mit wem koalieren“, den Eindruck, möglichst schnell „für Stimmung“ zu sorgen. Journalisten sollten sich persönlich zurücknehmen, um mit gezielten kurzen Fragen, Politiker zum „Reden“ zu bringen. Den Wert ihrer Aussagen sollen nämlich die Zuschauer beurteilen, nicht die Fragesteller. Politiker aller demokratischen Parteien haben es verdient, mit Respekt behandelt zu werden. Alle drei Kandidaten, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, müssen seit Wochen übermenschliche Kräfte aufbieten, um vor den wechselnden Moderatoren und dem Publikum zu bestehen. Wer will da noch in die Politik einsteigen? Genau dieses Problem ist an der Parteibasis mit den Händen zu greifen. In 12 Tagen wissen wir, wer vom Wähler die besten Noten erhalten hat. Gut so. Danach müssen wir aber alle über den Stellenwert von Politik und Parteien in unserer Gesellschaft selbstkritisch diskutieren. Politik ist nämlich wichtiger als ein Boxkampf oder das Herauswählen aus einem Dschungelcamp.
Dirk Hartwich