Unsere jüngere Geschichte holt uns immer wieder ein – Das ist gut so

Gesellschaft

Persönliche Sonntagsgedanken aus Rhade

 

„Aus der Geschichte lernen zu wollen bedeutet auch die
Entschlossenheit oder zumindest die Bereitschaft, „es“ in Gegenwart und
Zukunft besser zu machen …“
Vor 25 Jahren (1996) war es unser damaliger Bundespräsident Roman Herzog, der uns Nachhilfe im Geschichtsunterricht erteilte. Heute nimmt Frank-Walter Steinmeier, aktueller Bundespräsident den so gesponnenen Faden auf und erinnert uns in einer sehr persönlichen, emotionalen und großen Rede an die schrecklichen und monströsen Verbrechen der Nazis im Namen Deutschlands. Vor 80 Jahren (1941) griff die deutsche Wehrmacht Russland und die benachbarten Staaten überfallartig an und mordete im Verlauf 27 Millionen! Menschen, die zuvor in der Nazipropaganda zu lebensunwerten Untermenschen erklärt wurden. Frank-Walter Steinmeier:

Es war die Entfesselung von Hass und Gewalt, die Radikalisierung eines Krieges hin zum Wahn totaler Vernichtung. Vom ersten Tage an war der deutsche Feldzug getrieben von Hass: von Antisemitismus und Antibolschewismus, von Rassenwahn gegen die slawischen und asiatischen Völker der Sowjetunion.

Am 8. Mai 1945 endete das selbsternannte 1000jährige Reich in Trümmern. Die Aufarbeitung unserer jüngeren Geschichte wurde aber durch Schweigen und Verdrängen „auf die lange Bank“ geschoben. So haben 1956, also vor 65 Jahren, fünf Bundesrichter des Bundesgerichtshofs ihren „Kollegen“ Otto Thorbeck freigesprochen. Dieser hatte Dietrich Bonhoeffer und vier weitere Widerstandskämpfer am 8. April 1945, nur wenige Tage vor Kriegsende zum Tode verurteilt und sofort hinrichten lassen. Der Bundesgerichtshof attestierte dem „Hin-Richter“ Thorbeck, so die Süddeutsche Zeitung, ein „einwandfreies Verfahren“ geführt zu haben. Dieses Urteil hatte dann Signalwirkung für den "Persilschein" aller Nazirichter in unserem demokratischen Nachkriegsdeutschland. Davon profitiert hat auch Hans-Joachim Rehse, der 1968 (!) das Landgericht Berlin als freier Mann verlassen durfte. „Rehse hat als Richter des Freislerschen Volksgerichtshofs an mindestens 231 Todesurteilen mitgewirkt“.

Unsere jüngere Geschichte ist einfach zu schrecklich, um sie zu vergessen. Wir haben die Pflicht, daraus zu lernen. Wir alle!

 

Dirk Hartwich

 

Die Textausszüge der Reden von Roman Herzog und Frank-Walter Steinmeier wurden der Internetseite des Bundespräsidialamtes entnommen. Die weiteren kursiv gestellten Zitate wurden der Süddeutschen Zeitung entnommen. Heribert Prantl schrieb den Text "Der Hin-Richter" am 12./13. Juni 2021

 
 

WebsoziCMS 3.9.9 - 004475637 -